Page 54 - B_0416
P. 54

BAUEN IM BESTAND


                                                                              © Noshe                             © Noshe









































      TRANSFORMATION DER KOLOSSE



       Wie Bunker bewahrt und doch neu genutzt werden können


       Berlin und Beton – das gehört zusammen wie                              freistehende Hochbunker, der zu DDR-Zeiten
       der Berliner Kiez und die Subkultur. Nicht nur,                         „Vorweihnachtsbunker“ hieß, weil hier die ratio-
       weil die Stadt durch eine gewaltige Betonmauer                          nierten kubanischen Bananenvorräte eingelagert
       einmal zweigeteilt wurde, sondern weil daraus                           wurden, war in der Postwendezeit zum wichtigen
       auch – sieht man mal von den vielen brutalisti-                         Angelpunkt der Subkultur geworden: Auf vier
       schen Autobahntrassen ab – auch all die Relikte                         Etagen fanden hier Hardtechno-, House- und
       gemacht sind, die der Krieg vom Dritten Reich                           Snax-Parties im Darkroom statt, bis aus Sicher-
       übrig gelassen hat. Viele sind es nicht mehr:                          © Pallasseum Berlin, Blick vom Kleistpark,Von Manfred Brückels - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0  heitsgründen – die Belüftungssysteme waren da
       Von den 423 Bunkern, die als Zivilschutzanla-                           längst schon nicht mehr intakt – dem Spektakel
       gen zum Schutz einer Bevölkerungsminderheit                             1996 ein endgültiges Ende bereitet wurde. Das
       gebaut wurden, sind nur noch einige Dutzend                             Berliner Shooting-Büro Realarchitektur packte
       übrig geblieben – wo sie stehen geblieben sind,                         daraufhin den aufwändigen Umbau an: 1.800
       prägen sie aber das Straßenbild bis heute sehr                          Tonnen Schutt wurden aus dem massive Koloss
       deutlich. Dass sie dabei nicht erst versauern                           entfernt, um aus den gleichförmigen 120 Kam-
       müssen, sondern durchaus auch aufwendig, aber                           mern etwa 80 individuelle Ausstellungsräume
       nachhaltig wachgeküsst und reaktiviert werden                           maßzuschneidern – unter Beibehaltung der
       können, haben in den letzten Jahren eine Reihe                          Substanz und von Zeitspuren: Einer der span-
       von Transformationsprojekten bewiesen, in ganz                          nungsvollsten, raumentgrenzenden Hängungen
       unterschiedlichen Winkeln der Stadt.                                    ist gewiss Thomas Struths „Sterne-Zyklus“, der
                                                                               in einem über zwei Etagen geführten Raum prä-
       Ein Beispiel, das das Potenzial der Bunker vor-                         sentiert wird, an dem noch sichtbar die Dark-
       geführt hat, ist definitiv der „Kunstbunker“ von                        room-Spuren der Vergangenheit kleben. Auf den
       Christian Boros. 2003 erwarb der Kreativunter-                          Bunker der Boros Collection, die mittlerweile
       nehmer den ehemaligen Reichsbahnbunker un-                              an ihrer dritten Dauerpräsentation arbeitet,
       weit des Bahnhofs Friedrichstraße. Der markante                         antwortet seit diesem Sommer ein alter, fast

       54
   49   50   51   52   53   54   55   56   57   58   59