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DAS GEFÜHL VON
INFORMIERTHEIT
Hängt der Nachrichtenkonsum über mobile Endgeräte mit einem
erhöhten Gefühl der subjektiven Informiertheit zusammen?
Joshua Brück
Relevanz 100%
Das Aufkommen von mobilen Endgeräten hat es ermöglicht, dass Benutzer immer und überall mit dem Inter-
net verbunden sind, wodurch sich auch die Rezeption von Informationen beziehungsweise der Konsum von 55%
Nachrichten verändert hat. Dies legt auch eine Studie von Reuters nahe, laut welcher der Nachrichtenkonsum
über das Smartphone von 22% im Jahr 2013 auf 56% im Jahr 2019 gestiegen ist und somit erstmals häufiger
über das Smartphone als über den Computer (55%) Nachrichten Inhalte konsumiert wurden (Reuters Ins-
titute, 2019). Dieser Wandel geht mit einer deutlichen Veränderung in der Art und Weise wie Nachrichten 50%
konsumiert werden einher.
Außerdem ist zu beobachten, dass zunehmend klassische Medienunternehmen, im Rahmen von cross- 56%
medialer Strategien immer mehr Inhalte für mobile Websites und Apps produzieren, um auf die-
se Weise die digitale Transformation des Journalismus voranzutreiben und die jüngere Zielgrup- 10%
pe der sogenannten Digital Natives gezielt anzusprechen. Offensichtlich mit Erfolg, denn in einer
statistischen-Auswertung der Besucherzahlen vom Dezember 2018 der zehn größten Nachrichtenpor- 0% 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
tale in Deutschland, worunter allein acht der zehn Angebote von klassischen Medienunternehmen
sind. Zeigte, dass der Anteil von mobilen Aufrufen im Durchschnitt bei 72 Prozent liegt (Brandt, 2019).
Quelle: Reuters Institute. (2019). Reuters Institute Digital News Report 2019.
Über die Folgen des zunehmend mobilen Zugangs zu
Nachrichteninhalten und die damit einhergehende Visits der Top 10 Nachrichtenportale im Dezember 2018
veränderte Art und Weise, wie Menschen Informatio- (in Mio.)
nen konsumieren, ist allerdings noch wenig bekannt.
Fragestellung
Definitionen Die Zielsetzung der Arbeit besteht dar-
in festzustellen ob der Nachrichtenkonsum
über mobile Endgeräte zu einem erhöh-
Objektives politisches Wissen ten Gefühl der Informiertheit führt und ob
dieser zu einer Überschätzung des eigenen
Delli Carpini (1996) definierte objektives politisches Nachrichtenwissens führen kann.
Wissen als die im Langzeitgedächtnis gespeicherte fak- Wie es die Studie von In der Au (2017) nahe-
tischen Informationen über Politik. Dies unterscheidet legt. In der Personen die Facebook gezielt und
politisches Wissen von Informationen die intellektuell regelmäßig als Nachrichtenquelle nutzen, ein
wahrgenommen worden sind oder im Kurzzeitgedächt- höheres Gefühl der subjektiven Informiert-
heit haben, als Personen die Facebook nicht
nis Verwendung fanden, im Anschluss jedoch nicht wei- gezielt als Nachrichtenquelle nutzen.
ter in das Langzeitgedächtnis wandern, sondern zuvor Wobei der Facebook Nutzung als Nachrich-
verworfen wurden. Zudem gilt es objektives politisches tenquelle, nur ein geringfügiger Effekt auf
Wissen von dem subjektiven Wissen über Politik zu un- die Aneignung von politischem Faktenwis-
terscheiden (Oberle, 2012). sen nachgewiesen werden konnte (In der Au, Quelle: IVW/Statista-Berechnung
Wieland, & Zeitler, 2017). Dies wurden mit
Subjektives politisches Wissen der von Dunaway (2018) nachgewiesenen si- Methodisches Vorgehen
Das subjektive politische Wissen wird als die Selbstein- gnifikanten geringeren Aufmerksamkeit bei
mobilem Nachrichtenkonsum im Vergleich
schätzung über den eigenen auf Politik bezogenen Wis- zum Nachrichtenkonsum am PC verknüpft
sensstand definiert. Subjektives Wissen zeichnet sich und die folgende Forschungsfrage aufge-
dadurch aus, dass es die Einschätzung des Umfangs und stellt:
der Art und Weise von Wissen durch sich selbst ist. Es
beschreibt demnach wie gut eine Person selbst meint, Hängt der Nachrichtenkonsum über mo-
über politische Themen Bescheid zu wissen. Im Gegen- bile Endgeräte mit einem erhöhten Ge-
satz zu Antworten auf objektive Wissensfragen ist diese fühl der subjektiven Informiertheit zu-
sammen?
nicht von Außenstehenden auf ihre Richtigkeit zu über-
prüfen (Oberle, 2012).
Operationalisierung des subjektiven Nachrichtenwissen
Hypothesen Es zeigte sich, dass die Mediennutzung den Effekt hat, das subjektive Gefühl
der Informiertheit zu verstärken, selbst wenn die tatsächliche Informiertheit
über das aktuelle Nachrichtengeschehen nicht gegeben ist. So wurde in einer
Anhand dieser Forschungsfragen und auf Grundlage der spielen. Die Strukturen, Prozesse und Sachverhal- Studie zur Messung des Grades der subjektiven Informiertheit über politische
Erkenntnisse von Dunaway (2018), welche zeigten, dass te vereinfacht und auf die für die Beurteilung not- Nachrichten das folgende Item verwendet: „Haben Sie das Gefühl, dass Sie im
Personen, die über das Smartphone oder das Tablet Nach- wendigen Informationen reduziert. Es zeigt, dass Allgemeinen ausreichend darüber Bescheid wissen, was in der Politik vor sich
richten konsumieren, signifikant weniger aufmerksam generell eine Tendenz dazu besteht, bei der Verar- geht?“ (Schulz, 2008). Welches auch hier zu Operationalisierung dienen soll.
sind, als Personen die über den Computer Nachrichten beitung von Nachrichten, kognitive Ressourcen zu
konsumieren. Aus dieser Annahme heraus, dass weni- sparen (Brosius, 1995). Diese Art der Verarbeitung Operationalisierung des objektiven Nachrichtenwissen
ger Aufmerksamkeit gleich zusetzen ist mit schlechterer kann zur Selbstüberschätzung führen, da durch
Informiertheit wird die folgende Hypothese aufgestellt: Verarbeitungsheuristiken falsche Informationen Die objektive Informiertheit der Teilnehmer soll durch die Abfrage von Wis-
so behandelten werden können, als wären sie ve- sensfragen über die zum Zeitpunkt der Umfrage aktuellen politischen Nach-
Hypothese (H1) rifizierte Informationen. Das zu einer Verzerrung richtenereignisse erhoben. Um einen ausgewogenen und einen Zeitraum von
Personen, die sich hauptsächlich mit dem Smartphone der Wirklichkeit führt, woraus eine Selbstüber- ungefähr zwei Wochen umfassenden Fragekatalog zu erhalten, soll eine Aus-
oder dem Tablet über das Nachrichtengeschehen in- schätzung resultieren kann (Metcalfe, 1998). wahl von Wissensfragen zu aktuellen Nachrichten Themen erstellt werden die
formieren, sind schlechter Informiert als Computer- durch Zufall ausgewählt werden. Durchführung nach Corona geplant.
Nachrichtenkonsumenten. Hypothese (H2)
Personen, die sich hauptsächlich mit dem Smart- Brosius, H.-B. (1995). Alltagsrationalität in der Nachrichtenrezeption. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Brandt, M. (23. Januar, 2019). So mobil sind Nachrichten. Zugriff am 02. Juni 2020, von https://de.statista.com/infografik/7315/traffic-der-top-10-nachrich-
Durch Brosius (1995) Erkenntnisse kann diese Annah- phone oder über das Tablet über das Nachrich- tenportale-in-deutschland/
me noch erweitert werden. Denn es zeigte sich, dass Re- tengeschehen informieren, überschätzen ihr Delli Carpini, M., & Keeter, S. (1996). What Americans Know about Politics and why it Matters. New Haven: Yale University Press
zipienten dazu tendieren bei der Nachrichtenrezeption objektives Nachrichtenwissen stärker als Com- Dunaway, J., Searles, K., Sui, M., & Paul, N. (2018). News Attention in a Mobile Era. Journal of Computer-Mediated Communication, 107-124.
generell nur einen kleinen Teil ihrer Aufmerksamkeits- puter-Nachrichtenkonsumenten. In der Au, A.-M., Wieland, M., & Zeitler, A.-L. (2017). Zufällig gut informiert? Folgen gezielter und zufälliger Nachrichtenkontakte für politisches Wissen und
subjektive Informiertheit. MedienJournal, 61-75.
und Gedächtniskapazität aufzuwenden, da die Nachrich- Metcalfe, J. (1998). Cognitive Optimism: Self-Deception or Memory-Based Processing Heuristics? Personality and Social Psychology Review, 100-110.
tenrezeption mit Hilfe von Alltagsrationalität verarbeitet Oberle, M. (2012). Politisches Wissen über die Europäische Union. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
wird, wobei Schemen und Heuristiken eine zentrale Rolle Reuters Institute. (2019). Reuters Institute Digital News Report 2019.
Schulz, W. (2008). Politische Kommunikation. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

